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Thema: Geschlechterunterschied bei Autismen? (http://perfektibilistenorden.de/topic.php?id=436)


Geschrieben von: Lisa M. am: 24.09.06, 13:00:39
Auch Tony Attwood hat in seinem Buch über das Asperger-Syndrom darauf hingewiesen, dass Mädchen und Frauen mit AS möglicherweise genauso häufig, aber weniger auffällig sind als Jungen und Männer, und damit oft durch das Diagnoseschema fallen. Attwood begründet diese "unauffälligeren Mädchen" mit den unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen von Mädchen und Jungen, die Mädchen eher eine soziale Integration unter Gleichaltrigen ermöglichen und damit schlicht mehr "Input" zum sozialen Lernen.

Nun hat ein weiterer bekannter Autismus-Spezialist, Christopher Gillberg, sich ebenfalls öffentlich zu den "unauffälligeren Mädchen" geäußert:

Zitat:
Und entdeckt einstweilen mögliche neue Diagnoselücken: Möglicherweise gebe es mehr autistische Mädchen als bisher diagnostiziert, warnt Autismus-Forscher [extern] Christopher Gillberg. Bisher nahm man an, dass Jungs viermal so häufig wie Mädchen autistische Verhaltensweisen entwickeln. Eine Analyse des X-Chromosoms ergab jedoch nichts, was auf eine männlich-genetische Komponente hindeuten würde. Gillberg meint nun, dass Mädchen mit Asperger oft passiver und verhaltensunauffälliger seien und dann nur als schüchtern angesehen würden. So vermutet er auch eine Verbindung zwischen Autismus und Magersucht, das Zählen von Kalorien könne eine typische autistische Fixierung darstellen. Mädchen würden auch, anders als Jungs, teilweise Informationen über Menschen sammeln statt über Dinge und damit aus dem gängigen Diagnoserahmen fallen.


Quelle (Der Artikel wurde hier schon zum Thema Feriencamp verlinkt).

Mir fällt zu diesem Thema auch noch ein, dass der Diagnoserahmen so ist, wie er ist, weil er anhand von Jungen entwickelt wurde. Geschlechterunterschiede gibt es auch bei NT's, und ebenso geschlechtsspezifisch unterschiedliche Interessenlagen. Warum sollte es das unter Autisten nicht geben? Ebenso, wie aber auch bei NT's Sozialisationsbedingungen und Interessen nicht ausschließlich vom Geschlecht abhängen, dürfte das auch unter Autisten nicht der einzige Einflussfaktor sein, und das für den Geschlechterunterschied festgestellte erweitert damit letztlich insgesamt die Vorstellungen von möglichen Ausprägungsformen von Autismus und lässt sie weniger klischeehaft werden.


Geschrieben von: Goldloeckchen am: 24.09.06, 14:35:34
Hm, interessant, jedoch frage ich mich dann wieso meine Tochter oder selbst ich so aus den Rahmen dieser "Mädchen-Diagnose" fallen würden. Meine Tochter zb. versucht zwecks sozialer Kontakte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen aber da sie die Regeln fürs Miteinander sowie NAs sie kennen nicht versteht wird sie oft missverstanden dann ist sie aber tatsächlich sehr still und zurück gezogen wenn sie an etwas sitzt was ihr Freude macht. Man muss sie manchmal zehn mal rufen eh man ihre volle Aufmerksamkeit erlangt hat. Sie hat auch sowie das Asperger beschreiben würde eine seltsame Prosodie im Gegensatz zu mir (meine Intonation ist "normal"). Vllt liegt, dass aber auch daran, dass sie vermutlich HFA "hat". Sie sprach erst im Alter von 5 Jahren und bis sie flüssig sprechen konnte vergingen weitere 2 Jahre. Die Ärzte fanden jedoch keinen Hinweis auf Sprachstörungen. Sonst ist sie eine gute Schülerin mit ein paar Schwierigkeiten was die Verhaltensregeln anbetrifft.
Als kleines Kind wollte sie mit fast niemanden spielen, der Wunsch nach mehr Kontakten kam erst nach der 3ten Klasse auf. Ich würde sie nicht als schüchtern bezeichnen eher als verträumt und durchaus kontaktfreudig, zumindest ist der Wille bei ihr vorhanden.


Geschrieben von: Goldloeckchen am: 24.09.06, 14:39:06
Ach, ich finde nicht, dass wir die Diagnosen nach Mann und Frau aufteilen sollten. Ich denke schon, dass es den "Typ Asperger" so wie es im Artikel beschrieben worden ist gibt aber der könnte sowohl unter Männern wie auch Frauen existieren.


Geschrieben von: uppsdaneben am: 24.09.06, 15:51:59
Zitat von Sheila:
Meine Tochter zb. versucht zwecks sozialer Kontakte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen


Kontaktsuchend war ich auch als Kind. Ich halte es daher für kein Unterscheidungsmerkmal.


Geschrieben von: Lisa M. am: 24.09.06, 17:11:21
Zitat:
Ach, ich finde nicht, dass wir die Diagnosen nach Mann und Frau aufteilen sollten. Ich denke schon, dass es den "Typ Asperger" so wie es im Artikel beschrieben worden ist gibt aber der könnte sowohl unter Männern wie auch Frauen existieren.


Das sehe ich auch so. Bei ADS hat sich das ja auch mal so entwickelt, dass es zuerst hieß, es gäbe auch "unauffälligere Mädchen" und mittlerweile ist klar, dass es sich einfach nur bei Mädchen häufiger in dieser Weise ausprägt als bei Jungen. Auch Sozialisation ist ja nicht einfach nur geschlechtsspezifisch, sondern besteht aus vielen Faktoren, die eigentlich ein Ganzes bilden.