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Autor Nachricht
saile
(Angehörigenbereich)

Hallo zusammen,

wir sind ganz neu hier. Unser kleiner Sohn (3,5 Jahre alt)
ist als autistisch diagnostiziert. Auf eine bestimmte Form
wollte man sich nicht festlegen, wohl am ehesten frühkindlicher Autismus.
Sein wohl auffälligstes Symptom ist, daß er keine sprachliche Kommunikation besitzt. Ich meine jetzt nicht, daß er nichts sagen kann, er kommuniziert nur nicht. Einzelne Wörter kann er sprechen und manchmal auch situationsbedingt einsetzen(selten). Was er aber kann ist das Alphabet sowie die Zahlen benennen. Er kennt jeden Buchstaben, die meißten auch mit einem entsprechenden Wort, z.B sagte er "H wie Hund" oder "Q wie Qualle" usw., wenn er auf einen Buchstaben auf seiner Buchstabentafel zeigt. Er kennt wirklich jeden Buchstaben und jede Zahl bis 20 und kann sie benennen. Allerdings nur, wenn er es auch will. Zeigt man auf einen Buchstaben oder eine Zahl so benennt er ihn nur sehr selten.
Meine Frage ist nun, ob jemand einen vergleichbaren Fall kennt? Ich fände es überausschön eines Tages mit unserem Sohn sprechen zu können, rein mechanisch und besonders intelektuell sollte es kein Problem für ihn darstellen, aber wie kann ich ihm helfen seine Fähigkeiten zu einer funktionierenden Sprache auszuarbeiten? Ich habe schon eine ganze Menge Bücher zu dem Thema gelesen und wir fördern unseren Sohn auf verschiedenste Weisen, ich hoffe aber hier mit jemanden Sprechen zu können, der etwas ähnliches erlebt hat und auch darüber sprechen möchte.

Unser Sohn ist ein Sonnenschein. Wir lieben ihn über alles und erhalten Liebe von ihm, wir sagen ihm jeden Tag was für ein wunderbarer Mensch er ist. Wie gerne würden wir uns mit ihm über alltägliche Dinge unterhalten, z.B. haben unsere anderen Kinder zur Zeit Weihnachtswünsche, für uns wäre es das Größte wenn er sich in einer solchen Situation auch etwas wünschen würde.

Ich hoffe ich habe nicht zuviel geschrieben.

Bis bald freuen
14.11.06, 14:32:13
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Cadfael
(Autistenbereich)

Hallo saile,

erstmal herzlich willkommen im Forum!

Hmmmmmm ...
Euer Sohnemann stellt mich vor ein Rätsel!
Ich würde mal NICHT auf frühkindlichen Autismus tippen!
Ich tippe eher auf eine Mischung aus frühkindlichen Autismus und Asperger - eher eine seltene Form von Asperger.

Warum?
Wenn ein Kind mit 3,5 Jahren die Zahlen bis 20 beherrscht, das Alphabet kann und eine "Kuhalle" mit dem Buchstaben "Q" assotiiert, dann würde ich auf eine hohe Inteligenz tippen. Vielleicht ist euer Kind ja ein Savant? Also ein Mensch mit einer ganz extremen einseitigen Hochbegabung, der auf sehr vielen anderen Gebieten starke Defizite hat???

Ich habe erst vor fast 8 Monaten (mit 42) entdeckt, dass ich wohl Aspie bin. Hatte nie zuvor davon gehört. Als ih vor 20 Jahren meinen Zivildienst machte, habe ich einem sechsjährigen Mädchen den Zahlenraum bis 100 beigebracht. Lesen konnte sie eh schon. Hochbegabung wurde bei mir auch in der Schule festgestellt (Abi allerdings gerade eben geschafft). Asperger gab es damals noch nicht.

Wenn ihr mit eurem Sohn "sprechen" wollt, müsst ihr meiner (stümperhaften) Meinung nach einen vollkommen anderen Weg gehen.
Ihr müsst lernen, dass NTs (das sind neuro typische - also normale - Menschen) die Welt auch nicht so sehen wie sie ist. Ihr müsst versuchen offen zu werden für "die andere Welt" die es gibt. Euer Sohn ist "auf dem falschen Planeten" oder zumindest in der falschen Menschenwelt.
Vielleicht schafft ihr es, euch in "die andere Menschenwelt" etwas einzuleben.

Ihr solltet mal nachdenken, ob in eurer näheren Verwandschaft keine "merkwürdigen Leute" sind. Verwandte (Eltern, Onkel, Tante ...), die keine Familienfeiern mögen, manchmal unkonventionelle Meinungen haben, gerne alleine sind. Autismus wird (meiner Meinung nach) vererbt. Meine Mutter wusste auch fast 50 Jahre lang nicht, dass sie höhst wahrscheinlich mit einem Autisten verheiratet war. Leider kann ich meinen Vater nicht mehr fragen (aspergertypisch bezieht sich das "leider" nicht auf seinen Tod, sondern auf die Tatsache, dass ich ihn nicht fragen kann).

Weihnachten ...
Wünscht euch nicht, dass euer Sohn so ist wie eure anderen Kinder - odr wünscht es ihm nicht! Viele Autisten sind zwar depressiv weil sie in einer Welt leben, die sie nicht verstehen, aber es gibt trotzdem kaum Autisten, die so sein wollen wie NTs. Sehr viele mögen die Welt in der sie eigentlich zuhause sind - und sind traurig, dass man diese Welt nicht akzeptiert.
Ob sich euer Sohn was zu Weihnachten wünscht oder nicht ist vollkommen nebensächlich, solange er in seiner Welt glücklich ist - und seine Welt bei euch haben darf (was nicht heißt, dass er nicht lernen muss in der anderen Welt zu leben).

Netter Gruß
Andreas
15.11.06, 01:04:44
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[modmod]
(Globalmoderator)

geändert von: [modmod] - 15.11.06, 10:23:32

Hallo Saile,

Willkommen erstmal. Wir haben hier einen geschützten Bereich in dem nur Angehörige Schreib- und Leserechte haben. Zudem gibt es das geschützte Dialogforum wo sich Autisten und Angehörige austauschen können. Hierfür könntest durch eine kurze Vorstellung (Unterforum: Meta-Nische) freigeschaltet werden.

Sheila
15.11.06, 10:22:39
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Altpapier
(Autistenbereich)

Den frühkindlichen Autismus würde ich erstmal nicht in Frage stellen. Hast du dich einmal damit beschäftigt, welche Besonderheiten Autismus mit sich bringt? Die Wahrnehmung ist empfindlich. Vielleicht ist er oft überlastet und spricht deshalb nicht? Wenn das was man um sich erlebt nicht voll interpretierbar ist würde sich jeder Mensch mit Äußerungen zurückhalten, schätze ich.
15.11.06, 13:09:02
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saile
(Angehörigenbereich)

Wir haben uns intesiv in das Thema Autismus eingearbeitet. Der Aspekt der Reizüberflutung könnte auch unserer Meinung nach im Zusammenhang mit der Sprache hängen. Wie aber kann man gezielt gegen diese Überflutung arbeiten? Ein neutraler Raum währe warscheinlicht das Beste, aber wir haben noch zwei weitere Kinder und die lieben so rein gar nicht neutrale Räume. Hat jemand eine andere Idee? Wir denken auch das sein Bezug zu Buchstaben und Zahlen in diesem Zusammenhang steht, denn die sind ja immer gleich, gewissermaßen "ohne böse Überraschungen"
Welche Form des Autismus unser Sohn hat ist uns eigentlich gar nicht so wichtig wir sehen ihn in erster Linie als Menschen mit besonderen Interessen und Fähigkeiten, aber wir wollen bei ihm sein, wenn er seine Welt entdeckt, wir wollen ihm helfen, ihn besser verstehen, ihm eine Umgebung schaffen in der er sich wohlfühlt und in der er sich ungezwungen entwickeln kann (er hat keine Zwänge im klassischen Stil).
15.11.06, 14:07:25
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Altpapier
(Autistenbereich)

Manche gestalten ihr Bad zu einem neutralen Raum. Das kann man gezielt nutzen, wenn man es klug anstellt. Vielleicht probiert ihr mal ob und wie er sich nach einigen Stunden in einem möglichst neutralen Raum verändert?

Denkt ihr, daß euer Sohn erkennt, daß wenn ihr ihm eine Karte mehrmals zeigt, diese die gleiche Karte bleibt?
15.11.06, 19:33:29
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christian_k
(Autistenbereich)

Zitat von Cadfael:
Hallo saile,

erstmal herzlich willkommen im Forum!

Hmmmmmm ...
Euer Sohnemann stellt mich vor ein Rätsel!
Ich würde mal NICHT auf frühkindlichen Autismus tippen!
Ich tippe eher auf eine Mischung aus frühkindlichen Autismus und Asperger - eher eine seltene Form von Asperger.


Meinst du vielleicht hochfunktionalen Autismus ?

Anzeichen von frühester Kindheit an, Sprachverzögerungen, aber hohe (oder zumindest normale) Intelligenz und als Erwachsener eher wie ein Aspie - So trifft es auf mich zu und meine Diagnose lautete "frühkindlicher hochfunktionaler Autismus".

Gruss
Christian
15.11.06, 21:18:34
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saile
(Angehörigenbereich)

Zitat:
Denkt ihr, daß euer Sohn erkennt, daß wenn ihr ihm eine Karte mehrmals zeigt, diese die gleiche Karte bleibt?


Hallo Altpapier,

ja, daß erkennt er sicher. Er hat eine ganz gute optische
Auffassungsgabe. Hast Du da eine Idee? Vielleicht in Richtung der Ansätze von Lovaas / ABA? Wir sind gerade dabei uns dahingehend schlau zu machen. Oder etwas anderes? Gibt es jemanden hier der früher nicht oder nur schwer sprechen konnte und es irgendwie doch geschafft hat zu kommunizieren?

Bis bald
16.11.06, 07:41:58
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saile
(Angehörigenbereich)

Zitat:
Anzeichen von frühester Kindheit an, Sprachverzögerungen, aber hohe (oder zumindest normale) Intelligenz und als Erwachsener eher wie ein Aspie - So trifft es auf mich zu


Hallo Christian,

du hattest als Kind eine Sprachverzögerung? Wann hast du sprechen gelernt? Kannst du dich daran erinnern? Was hat dir am meisten geholfen? verwirrt
Ich hoffe ich löchere dich nicht zu sehr, aber das Thema brennt mir irgendwie unter den Nägeln

Bis bald
16.11.06, 07:47:26
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Goldloeckchen
(stillgelegt)

@Saile

Meine Tochter hat übrigens auch erst mit sechs Jahren angefangen zu sprechen. Bis zu ihren neunten Lebensjahr hat sie nur kleinere Sätze gebildet und dennoch kam sie aufgrund ihres relativ hohen IQs gut zurecht in der Schule was die Leistungen anbetrifft. Nur im Deutsch hatte sie einige Schwierigkeiten verständlicherweise. Die ersten Wörter hat sie jedoch mit 2 gesprochen und auch ständig wiederholt. Ich habe mich intensiv um einen Therapieplatz für sie bemüht aber ohne psychiatrische Diagnose erhält man den nicht so schnell. Auf Autismus wäre ich damals nicht gekommen. Ich wusste nicht, dass es "leichtere" Formen gibt.

[Auf eigenen Wunsch deaktiviert und anonymisiert, mfg [55555]]
16.11.06, 10:07:30
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Soluna
(Autistenbereich)

Hallo Saile,

jetzt habe ich mich doch dazu "durchgerungen", zu deiner Frage etwas zu schreiben. Ich dachte erst, daß ich dir nicht viel helfen kann, weil du dich schon ganz gut auskennst.

Du hast schon viel darüber gelesen. Ich muß gestehen, daß ich zu Autismus selbst nicht viel gelesen habe, also genaugenommen nur ein Buch, das ich aber ganz interessant fand. Es heißt "Ein neuer Tag" von (ich meine) Kaufman im Bastei-Lübbe-Verlag. Es ist (leider) schon etwas älter. Jedenfalls handelt es sich in diesem Buch um einen kleinen Jungen, der frühkindlichen Autismus hat, und darum, wie seine Eltern damit umgehen. Altpapier hat ja bereits erwähnt, daß viele Eltern das Bad als neutralen Raum benutzen. Das war auch in diesem Erfahrungsbericht der Fall.

So wie Cadfael würde ich auch auf eine Mischform aus frühkindlichem Autismus und Asperger tippen und schließe mich daher christian_k an, nicht zuletzt, da ich auch hochfunktionalen Autismus habe. Auch ich habe erst spät angefangen zu sprechen. Meine Mutter hat mir neulich erzählt, daß meine Eltern als ich klein war, einen Bekannten hatten, der eine etwas jüngere Tochter, als ich war, hatte. Diese konnte z.B. schon laufen, aber ich konnte es nicht, hatte aber die Fähigkeit dazu. Ich brauchte immer einen Anstoß, um etwas zu tun. Als mir meine Mutter dann vormachte, wie man lief, konnte ich es direkt und lief dann auch. So war es auch mit dem Trinken oder dem Halten von Besteck oder anderen Dingen. Bei deinem Sohn scheint das ja so ähnlich zu sein.

Du schreibst ja, das ihr bereits eine Diagnose erhalten habt. Konnten euch die Ärzte nicht irgendwie weiterhelfen?
16.11.06, 13:15:50
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saile
(Angehörigenbereich)

Hallo Soluna,

vielen Dank, daß du dich dazu durchgerungen hast zu antworten. Es stimmt, wir haben eine Menge gelesen, aber den Erfahrungsschatz kann so etwas bei weitem nicht aufwiegen. Deshalb bin ich froh und dankbar für jede Idee oder Meinung die hier kundgetan wird.

Zitat:
Du schreibst ja, das ihr bereits eine Diagnose erhalten habt. Konnten euch die Ärzte nicht irgendwie weiterhelfen?


Leider konnten uns die Arzte nicht besonders weiterhelfen. Wir machten damals bereits eine externe Therapie (die recht schön war, mit singen und so, aber nichts gebracht hat)welche die Ärzte in dem pädiatrischen Zentrum ganz gut fanden. Man riet uns damals (unser Sohn war 2,5) ihn auf einen integrativen Kindergarten anzumelden und uns noch einmal zu melden wenn er vier war, damit sie entscheiden konnten auf welche Schule er mal kommen sollte. Tips bekamen wir keine. Im Gegenteil man versuchte uns zu überzeugen, daß alternative Therapieansätze (ABA, Glutenfreie Diät, Hippo-Therapie, usw.) durch die Bank Hunbug seien. Unser Einwand, daß manche Menschen damit viel Erfolg gehabt hatten taten sie als Einzelerscheinungen ab. Man stellte uns eine ganz düstere Prognose für die Zukunft...
Wir brauchten damals eine ganze Weile um uns von dem Schock zu erholen, aber inzwischen haben wir viel selbst in die Wege geleitet ( auch z.B. der Tip mit dem Verein "Hilfe für das autistische Kind" kam nicht von den Ärzten)
Seit dem hat sich meine Meinung zu Ärzten grundlegend geändert. (Einer der Ärzte hat uns sogar gesagt, wenn er mit drei Jahren nicht sprechen könne, dann gäbe es keine Hoffnung für eine Sprachentwicklung mehr...)
So ist es mit den Ärzten wie mit uns, sie haben zwar schon eine Menge gelesen, aber Erfahrungswerte haben sie nicht.
(in unserem PZ auf jeden Fall)

Ich bin für jede Reaktion dankbar, egal ob man sie nicht wichtig findet, für uns ist jede Antwort hier enorm wichtig. Vielleicht wird unser Sohn, wenn er größer ist auch in der Lage sein in einem solchen Forum wie dem hier über seine Erfahrungen zu sprechen.
Vielen Dank für eure Hilfe.




16.11.06, 13:39:46
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