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Man könnte jetzt wohlwollend annehmen, sie hätte das ironisch gemeint. Oder überspitzt. Oder sie hätte eine Art Inklusionsversuch gestartet – so wie in der IT-Branche, wo gerne auf die Talente von Autisten für anspruchsvolle Programmierarbeiten zurückgegriffen wird.
Von Spinnenphobie bis Panikattacke
Der Unterschied ist allerdings, dass Autismus eine angeborene Störung ist, die nicht heilbar ist. Autisten kennen die Welt nur so. Menschen, die unter einer Angststörung leiden, kennen die Welt auch ohne Angst.
Dass Angst kein schönes Gefühl ist, das eher lähmt, als hilft, das müsste Ursula Schütze-Kreilkamp wissen. Dass Angststörung nur ein Oberbegriff ist – von einer Spinnenphobie bis zur Panikattacke, kann man alles darunter verstehen –, müsste sie auch wissen. Und dass eine Angststörung heilbar ist, müsste sie ebenfalls wissen.
Ein Personalmanagement, das auf das Fortbestehen der Erkrankung eines Mitarbeiters baut, ist alles andere als ethisch vertretbar. Es wäre ähnlich verwerflich, unfruchtbare Mitarbeiter zu suchen, Magersüchtige in Restaurants einzustellen, weil weniger Essen verschwindet, oder zu versuchen, Menschen mit Schlafstörungen für die Nachtschichten zu gewinnen.
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Walm ist einer von 170 Mitarbeitern der Regenbogen Arbeit GmbH, 60 Prozent von ihnen sind psychisch krank. Der gemeinnütziger Betrieb verschafft Menschen mit seelischen Leiden eine Festanstellung, sie bekommen faire Jobs mit therapeutischer Begleitung. Die Firma schließt eine Lücke in der psychiatrischen Versorgungslandschaft. Denn längst wissen Fachleute um das Problem der "Drehtürpsychiatrie": Wenn Menschen wie Walm nach einer schweren psychiatrischen Krise die Klinik verlassen, stehen sie oft vor den Trümmern ihres Lebens: ohne Freunde, ohne Wohnung - und ohne Arbeit. So fallen sie in die nächste Krise - und landen wieder in der Klinik.
"Sie müssen Geld verdienen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können", sagt Regenbogen-Arbeit-Geschäftsführerin Elke Seyband. Ihr Betrieb hat sich auf Catering-Service spezialisiert. Menschen mit Psychose, Depression oder Schizophrenie verarbeiten Frischkost, fahren sie kistenweise in fünf Großkantinen in München - etwa bei Postbank, Allianz, Infineon - und arbeiten dort im Service, als Küchenhilfe oder Koch. Arbeitstherapie und Broterwerb zugleich.
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"Es sickert langsam bei den Unternehmen durch, dass Arbeitnehmer besser vor psychischen Belastungen geschützt werden müssen", sagt DAK-Experte Schmitt. Es setze sich die Erkenntnis durch, dass Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht für die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter haben. Denn: Womöglich ist die Ignoranz mitverantwortlich für eine Krise mit Todesfolge, wie es bei David Walm beinahe der Fall gewesen wäre. Bis zu 18 Stunden ackerte er damals täglich in der Küche des Hotels für seinen Sternekoch-Traum. Er hatte kaum mehr soziale Kontakte, als die Depression ihn in den Zangengriff nahm.