Hallosfreund
|
Hallo.
Ich bin ein Freund von Hallo, derjenige den er gebeten hatte eine Einschätzung bezüglich seiner Äußerungen abzugeben.
Abgesehen vom Verständnis für Humor, der Wahrnehmung von Sprache und Musik und den scheinbar synästhetischen Empfindungen, worin sich NAs und As eventuell unterscheiden, hatte ich den Eindruck „die Lügen“ hätten sich zum vorherrschenden Thema gemausert. Daher möchte ich dazu meine Einschätzung abgeben.
Selbstverständlich können meine Aussagen ebenso wenig repräsentativ sein, wie die von Hallo aber auch ich werde mich bemühen, mich mit dem Gegenstand nach bestem Wissen und Gewissen auseinander zu setzen. Es kann sein, dass ich mich dabei in einigem was bereits angesprochen wurde wiederhole. Dies wird dem Umstand geschuldet sein, dass ich mich bemühe den bisherigen Verlauf zusammenzufassen, um hier und da noch eine Anmerkung hinzuzufügen.
Lügen:
- Lügen und Wahrheit
Unter kommunizierter Wahrheit verstehe ich, dass ein Sprecher davon ausgeht ein geschilderter Sachverhalt oder eine Aussage über irgendetwas, beschriebe die tatsächlichen also realen Verhältnisse desselben Inhalts.
Unter Lüge verstehe ich eine vorsätzliche Falschaussage gegen besseres Wissen
zum Zweck einer Täuschung. Diese Definition scheint mir nötig um zunächst Fehlwahrnehmungen, Fiktionen sowie Illusionen und Selbstbetrug auszuschließen.
Bei Fehlwahrnehmungen geht man selbst von der Wahrheit der Aussage aus. Das ist zwar trivial aber wenn jemand anderer Meinung ist, kann er einem trotzdem Verlogenheit unterstellen.
Bei der Fiktion ist es oft so, dass etwas beschrieben wird als wäre es war. Das kann sogar ihren besonderen Reiz ausmachen. Allerdings werden sie in der Regel die äußeren Umstände als solche ausweisen. (Beispiel Seemannsgarn) [bei der Ironie ist das ähnlich]
Um sich wirklich selbst zu belügen müsste man irgendwie dissoziieren. So kann mit Illusionen in diesem Zusammenhang nur gemeint sein, dass man sich bestimmte Vorstellungen macht, obwohl die damit verbundenen Hoffnungen nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit erfüllt werden. Vielleicht auch das jemand sich aus irgendwelchen Gründen weigert bestimmte Realitäten anzuerkennen.
Zur Wahrheit muss ich nun sagen, dass sie sich von der Unwahrheit nicht immer bestimmt unterscheiden ist lässt. Da kommen unterschiedliche Personen doch zu ganz unterschiedlichen Ansichten.
Es ist schon wichtig diese Tatsache zu berücksichtigen. Wenn mir beispielsweise mein Gegenüber einen gewissen Grad an Intelligenz zubilligt aber andere Ansichten vertritt, muss er unter Umständen davon ausgehen, dass ich ihn aus (dann seinerseits ausgedachten und unterstellten) obskuren Motiven heraus belüge. Er glaubt, an sich wüsste ich es eigentlich besser, sei ein Heuchler, Lügner oder in Wirklichkeit auf etwas anderes aus. (Im Gegensatz zur Fehlwahrnehmung bin ich hier fest davon überzeugt die Wahrheit zu äußern auch im nachhinein)
- Warum wird gelogen?
Weil man muss! Weil man sich im negativen Fall Nachteile ersparen will und im „positiven“ Fall Vorteile erhofft.
Zwar ist der erste Satz hart formuliert aber ich denke sowohl am Anfang als auch am Ende einer „Lügnerkarriere“ steht der Zwang.
Der Verlauf ist wohl der, dass man zunächst lernt Wahrheiten zu verschweigen. Inwiefern das einer Lüge gleichkommt wäre eine interessante Frage, die hier zu erörtern nicht zweckmäßig erscheint.
Ein Beispiel (Modell lebensbejahende, alleinstehende Mutter): „Sag in der Schule nicht dass die Mama viele männliche Freunde hat“ etc..Hier will die Mutter ihrem guten Ruf wahren und dem Kind drohen womöglich Sanktionen.
Ähnlich beim Lügen; Nächstes Beispiel (Modell handgreiflicher Vater) entweder: sag nicht dass der Papi dich geschlagen hat, sondern ein fieses Kind auf dem Spielplatz.. - der Vater fürchtet Ärger mit Lehrern oder Erziehern, das Kind fürchtet weitere Bestrafung. Oder: wenn es etwas angestellt hat drohen wiederum unangenehme Konsequenzen also leugnet es, dass es den Fußball in Nachbars Fensterscheibe geschossen hat. Sanktionen drohten dann vielleicht auch fürs Lügen, aber die Angst vor der somit eventuell nicht erfolgenden Bestrafung schien den Versuch lohnenswert zu machen.
Ehrlichkeit mag zwar als Wert vermittelt werden aber sie wird auf Dauer doch samt ihrer Restriktionen dem Heranwachsenden nahegebracht. Neben der Tatsache, dass man die praktischen Nachteile einer Wahrheit am falschen Platz zu spüren bekommt und der, dass man die Erwachsenen ebenfalls beim Lügen erwischt, wird einem ein Ausnahmenkatalog an die Hand gereicht.
Beispiel (Höflichkeit): Die Großtante kommt zu Besuch und ist auf Grund ihres Alters ziemlich blass, hatte dunkle Augenringe, Falten, und viele Pigmentflecken, vielleicht riecht sie sogar seltsam. Kind: „Großtante du bist ja so wie eine Leiche.“ Weil das ihre Gefühle verletzt und ihre schlimmsten Ängste wachrufen könnte wird dem Kind später nahe gelegt derartige Gedanken in ähnlichen Situationen für sich zu behalten oder sich gar noch irgendein Kompliment abzuringen.
Später lernt man Einzuschätzen wann es angebracht ist den eigenen Befindlichkeiten und Sichtweisen Gehör zu verschaffen und wann nicht. Wiederum drohen gesellschaftliche oder erzieherische Sanktionen entweder erklärtermaßen oder unbewusst.
Man lernt also in Bezug auf den einen oder anderen Fall berechnend mit den eigenen Gefühlen und Meinungen umzugehen.
Wieder etwas später übt man einen Beruf aus. Wenn man zum zweiten Mal in einer Woche verschlafen hat wird man vielleicht lieber sagen man habe eine Autopanne gehabt. Es geht dem Chef in diesem Fall gar nicht darum die Wahrheit zu erfahren, im Zweifelsfall möchte er seine Autorität anerkannt wissen und nicht den Eindruck vermittelt bekommen der Arbeitnehmer würde ihn und die Beschäftigung in seinem Betrieb nicht so wichtig nehmen.
Schließlich gehören Lügen zu manchen Berufsbildern: als Betrüger, als Verbrecher im allgemeinen sowieso oder vielleicht auch als Politiker.
Dann machen manche Menschen auch von sich aus den Übergang gar keinen Unterschied mehr zu machen, wenn sie feststellen dass sie mit ihrer Wahrheitsmodulation gewisse Vorteile erheischen. Sie merken beispielsweise das schmeicheln im Gegenzug unter Umständen mit Zuneigung belohnt wird egal wie ehrlich oder unehrlich sie es gemeint haben.
Ich sage nicht dass das alles richtig ist aber wenn man sich über das Thema Lügen Gedanken machen möchte muss man anerkennen, dass der bloße Schein in dieser Gesellschaft hoch gehandelt wird. Insofern sucht man sich auch nicht aus ob es einem wichtig ist was andere von einem halten, sondern man ist in dieser oder jener Hinsicht abhängig von der Beziehung zu ihnen. Daher ist es notwendig auf ihre Empfindlichkeit oder die gesellschaftliche Konvention Rücksicht zu nehmen. Es ist deshalb auch nicht so das Lügen langfristig gesehen nicht funktionieren. Ob sie aufgedeckt werden hängt von vielen, oft zufälligen Umständen ab. Im allgemeinen ist es auch nicht so das Lügen sehr leicht erkannt werden. Sie werden entweder lange nach dem Eintreten der gewünschten Wirkung entlarvt und somit haben sie bereits funktioniert oder sie dienen beispielsweise als Berufungstitel (Legitimation) und man weiß, dass vorgeschoben sind, kann aber schlecht dagegen argumentieren. Ein Großteil aller Lügen wird wahrscheinlich einfach nie aufgedeckt. Wenn Lügen nicht funktionieren, dann liegt das vielleicht an schlechten Lügnern, Menschen die es gar nicht wollen oder an schlechten Lügen, beispielsweise solche die nur wiedergegeben werden, die somit weniger ausgefeilt sind und deshalb auch nicht überzeugen. Bei superkonventionellen Unwahrheiten zum Beispiel „Wie geht es dir? - Danke gut.“ werden viele gar nicht an der Wahrheit interessiert sein. Es wird aber soviel gelogen eben weil es so gut funktioniert. Es würde wohl nicht so viel gelogen werden, wenn langfristig damit immer Nachteile damit verbunden wären.
- Offenheit, Vertauen und „charmante Lügen“
Offenheit, soweit es sich nicht um bestimmte Personengruppen handelt die sie voraussetzen, nimmt allgemein mit dem Grad der Vertrautheit zu. Je näher man sich kommt desto lockerer wird das Korsett der sozialen Konventionen. Solange man nicht eine gewisse Stufe erreicht hat muss man, selbst wenn man viel von Ehrlichkeit hält die Konvention unterstellen. Das gilt in beide Richtungen; es ist also sowohl ratsam sich erst einmal vorsichtig (das heißt den Konventionen entsprechend) zu verhalten und weil man nichts Besseres gewöhnt ist muss man auch annehmen, dass sich das Gegenüber innerhalb dieses Rahmens bewegt. Wenn mir eine wildfremde Personen schonungslos offen begegnet, wäre das eine außergewöhnliche Situation. Wüsste ich diese Besonderheit nicht zu schätzen, müsste ich der Person vielleicht feindselige Motive unterstellen.
Vertrauen wächst mit der schrittweisen Annäherung der Beteiligten. Man weiß nicht nur das man selbst im Bezug auf die eigenen Gefühle und Gedanken einen berechnenden (gefilterten) Umgang pflegt, sondern auch das andere sich berechnend in Bezug auf diese Verhalten. Wer seine Emotionen und Ansichten preisgibt macht sich angreifbar. Daher tendiert man, zum Zwecke des Selbstschutzes, dazu sich zu zensieren.
Umgekehrt möchte man, vielleicht weil man jemanden gern hat, auf dessen Gefühle und Gedanken Rücksicht nehmen, anstatt sie oder ihn zu verletzen.
Wer sich hier rein rational verhält läuft Gefahr sein Gegenüber zu kränken. Ob es sich nun um die Arbeitskollegen oder um die eigene Freundin handelt, wenn man nicht auf die Ehrlichkeit verzichten möchte täte man wohl gut daran den emotionalen Aspekt der Situation nicht unbeachtet zu lassen.
Beispiel 1): „Ich hoffe Ihr nehmt es mir nicht übel, aber ich bin ziemlich geschafft und möchte heute lieber zuhause bleiben. Vielleicht können wir nächste Woche mal weggehen. Beispiel 2): „Mein (Kosenamen einsetzen), natürlich bist du die allerschönste Frau der Welt und nichts kann dich wirklich entstellen aber dieses Kleid bringt deinen Wunderkörper nicht so sehr zur Geltung und du siehst leider selbst für deine konkurrenzlosen Verhältnisse recht verschlafen aus. Das ist alles nicht so schlimm, du weißt ja das ich dich lieb habe.“
Ich habe den Verdacht das es sich bei „charmanten Lügen“ teilweise gar nicht um Unwahrheiten handelt. Viele nicht böswillige Lügen bringen im Prinzip das was man eigentlich sagen wollte zum Ausdruck. Man führt lediglich nicht den gesamten Gedankengang mit all seinen Abwägungen aus, sondern präsentiert das Ergebnis. Man blendet zwiespältige Inhalte aus. Wenn man sich entscheidet doch auf die sightseeing tour zu gehen, obwohl man so müde ist, ist dies ja schließlich die Wahrheit. Das man eigentlich keine Lust hat heißt hier ja, dass man sich entschieden hat schon Lust zu haben. Es wäre ungewöhnlich alle Motive, Tendenzen etc. kund zu tun. Das Gegenüber interessiert sich gar nicht für alle möglichen Gedanken sondern nur für die Antwort.
Vielleicht wäre eine korrekte Antwort hier auch gar nicht ohne weiteres möglich. In Sekundenbruchteilen rattern unterschiedlichste Überlegungen durchs Gehirn. Einige Inhalte sind dabei vielleicht nur als Gefühl vorhanden also unbewusst. Damit meine ich über längere Zeiträume eingeprägte Verhaltensweisen (auch Zu- und Abneigungen) aufgrund unzähliger vorangegangener Urteile. Diese unter Zugzwang vollständig für sich selbst aufzuschlüsseln scheint uneffektiv zu sein. Man präsentiert nur das Resümee in dem Bewusstsein, dass es da auch entgegnsprechende Faktoren gab.
- unausgeglichene Gesprächssituationen
So ist man es also gewohnt erst seine Aussagen zu filtern und dann zu reden. Dabei wird jeweils der soziale Kontext berücksichtigt und das Wissen darum in die Kommunikation miteingebaut. Man muss wissen innerhalb welches Kommunikationsrahmens man agiert, um die Situation richtig einschätzen zu können. Wenn man sich dabei verschätzt befinden sich beide in der gleichen Situation, sie wissen nicht woran sie sind und es fällt ihm schwerer sich angemessen zu verhalten. Ich würde mich nicht trauen zu behaupten, dass eine der beiden Seiten eine absolute, allgemeingültige Wahrheit für sich in Anspruch nehmen könnte. Die durch Konventionen, Höflichkeit und allerlei Scharlatanerie verdorbene Position beruft sich leider auch auf die Realität. Wie bereits eingangs erwähnt ist das was für den ein richtig ist für den anderen vielleicht falsch. Müssten sonst nicht alle Menschen, die sich selbst auf die Wahrheit berufen, in nahezu allen Aspekten einer Meinung sein?
Vielleicht konnten meine Überlegungen irgendetwas zu einem Verständnis von „Lügen“ beitragen. Ich habe mich bemüht, bei der Sache zu bleiben und keine wertende Position einzunehmen. Ich hoffe dies ist mir gelungen.
|