Das mit den Mimiken gilt teilweise auch nur eher für Kinder. Mit der Zeit erfassen einige Autisten das auch mehr und mehr zumndest in der Theorie.
Schwierig. Keiner der erwachsenen Nicht-Autisten könnte sagen, ob er das alles mal auswendig gelernt hat, oder nicht. Z.B. ist mein Lebenspartner und Papa von Thaddäus ist Kabarettist und eine richtige "Rampensau", steht immer im Mittelpunkt. Und stets, nachdem er in Gesellschaft mal wieder alle Leute beleidigt hat, geht er mit den Worten nach Hause: "Ach, war das ein schöner Abend!" Er merkt das einfach nicht, wenn er jemanden vor den Kopf gestoßen hat, sagt dann: "Ja, aber das ist doch die Wahrheit!" Oftmals hat er damit auch Recht, und dann denke ich, daß die Menschen sich selbst nicht so wichtig nehmen und über ihre eigenen Defizite lachen sollten.
Ich meine, alles was sich in der Kindheit zum Erkennen von Mimiken und Gesten heraus etabliert hat, ist pure Angst. Angst davor, nicht mitspielen zu dürfen/ ausgegrenzt zu werden, Angst davor, nicht verstanden zu werden. Das ist der Indikator für schnelles Lernen von gesellschaftlichen Normen. Was ich beobachte ist, daß die autistischen Kinder keine Ängste haben, z.B. bezüglich Gefahrensituationen; sie klettern überall hoch, springen überall runter, rennen auf die Straße, um einen Bus zu umarmen und kommentieren alles, was den Tatsachen entspricht, ohne Angst davor, ins "Fettnäpfchen" zu treten. Später, wenn man älter wird und Sprache besser einsetzen kann, kann man Höflichkeitsformen auswendig lernen, das trifft auch auf Nicht- Autisten zu. Dennoch bleibt doch der Umstand für Autisten bestehen, daß sie eher die Rolltreppe in Kenntnis nehmen, als das kleine Mädchen, das weinend vor der Rolltreppe steht. Andererseits bin ich mir total sicher, daß, wenn Autisten Bilder von verhungernden Kindern in Armutsländern sehen, dann auch denken/ wissen: "Nein, das darf nicht sein!" "Was für eine Ungerechtigkeit!" Und spätestens dann seid Ihr denjenigen Nicht-Autisten weit voraus, die da denken: "Ach ja, das berührt mich nicht, das ist weit weg."
Verstehst Du, was ich letztendlich meine? Wenn es dann plötzlich wieder heißt, daß Autisten einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn haben, dann widerspricht sich doch die These vom nicht Anteil haben an dem Wenn und Aber in unserem Dasein; in der Gesellschaft. Haben Eure Eltern irgendwann aufgegeben, Euch normal zu behandeln? Ich entschuldige mich vorab für diese Frage, aber ich erinnere mich noch frisch an die Auseinandersetzungen mit Thaddäus, wo ich so oft gedacht habe: "Wie kann ich diesem Kind was erklären, so daß er es mir abnimmt?" So oft habe ich gedacht, er versteht es einfach nicht, und dann kam von ihm selber (da war er kaum 2 Jahre alt): "hab den Carlos in die Wange gebissen." Damals, wie Nase beißen ein absolutes Liebesbekenntnis schlechthin. Bring jetzt mal einem Kind und den Eltern bei, daß das lieb gemeint war und Thaddäus den Kontakt gesucht hat.