Forum für

Autisten und interessierte Zeitgenossen

Hallo zusammen!

Ich stelle mich erst einmal vor:

Ich bin dipl. Pflegefachmann auf einer Akutaufnahmestation und habe so gut wie keine Erfahrungen mit Autisten.

Hier nun mein Problem, ich hoffe, ihr könnt mir ein paar nützliche Tipps geben.

Seit 6 Wochen haben wir einen 50 Jahre alten Autisten auf der Station, der aus einem Pflegeheim zu uns verlegt wurde.
Seit einiger Zeit sind die Autoagressionen (schlägt sich selbst, tritt sich selbst, verstümmelt sich) massiver geworden. Daher wurde er zur medikamentösen Neueinstellung zu uns verlegt.
Unter Risperdal und Remergil haben die Autoaggressionen leicht abgenommen, sind aber immer noch sehr stark.

Nun zu meiner Frage: Welche Möglichkeiten haben wir als Pflegende mit diesem Patienten umzugehen und sein Umfeld zu gestalten ( Tagesablauf, Zimmergestaltung, Pflege usw.)
Ich bin für alle Antworten sehr dankbar, da wir wirklich langsam an unsere Grenzen stossen

Vielen Dank im voraus!

Lieben Gruss

Vereinfacht gesagt: Erstmal ruhiges und geordnetes Umfeld, in jeder Beziehung, nichts grelles und hektisches. Geordneten vorhersehbaren Ablauf, möglichst immer gleich. Möglichst viel Vertrautes, z.B. lieber ein gewohntes Hemd mit Fleck als ein neues Hemd.
Dann beobachten, was will er, was braucht er, was stört ihn. Vielleicht braucht er Beschäftigung, z.B. geistig. Vielleicht fehlt ihm etwas Gewohntes, wie lebte er bisher? Versteht er, was geschieht, oder ist das Geschehen für ihn unklar (verunsichernd).
Wurden die Autoaggressionen nach der Verlegung oder vorher schlimmer? Gibt es einen Auslöser? Die Verlegung könnte für ihn ein Trauma sein.
Von Psychopharmaka bei reinem Autismus halte ich nicht viel, das unterdrückt nur die Symptome, auf Dauer beseitigt das nicht die Ursache.

Wie sieht denn die Geschichte in den letzten Jahrzehnten aus? Wird er ständig herumgereicht? Ist bekannt wofür er sich interessiert? Denn jahrelang festgehalten zu werden ohne sich mit Dingen beschäftigen zu können, die man selbst interessant findet ist freilich traumatisierend. So kommt es dann zu solchen Verhaltensweisen. Man kann also davon ausgehen, daß er sein Leben so wie es jetzt ist, vermutlich auch seit Jahren ziemlich schrecklich findet. Und Autisten haben mitunter nicht so die Fähigkeit anderen zu vermitteln was sie interessiert. Daher sind sie auf Personen angewiesen, die sich darum bemühen das herauszufinden. Autisten werden oft auch für viel dümmer gehalten als sie sind. Vielleicht ist er massiv unterfordert und deswegen derart gegen sich aggressiv.

Wie weit erscheint Sprachverständnis vorhanden? Redet er?

Wie genau kann ich mir das mit der Hand zum Gurt führen vorstellen? Um was für einen Gurt geht es dabei?

Also ich lese, daß er aus einem Pflegeheim zu euch verlegt wurde, weil seine Aggressionen zugenommen hatten. Das hat auf jeden Fall Gründe. Es mag sein, daß diese für NA schwer fassbar sind, denn für Autisten sind Kleinigkeiten aus der Sicht von NA mitunter wichtige Dinge. Insofern mag es sein, daß das Personal im Pflegeheim meint sich um ihn gut zu kümmern, jedoch läuft irgendetwas ziemlich schief. Die Aggression ist eine Folge davon und daher ist es langfristig keine Lösung des Problems zu betäuben, das kaschiert lediglich die Abwehr und bricht noch mehr den Menschen.

Weiterführende Informationen zum Auslaufmodell Heim.
Bericht einer Autistin über ihre Jahre in einem Heim.

Ich hoffe, dass ihn das Mobilee nicht nervt! Ich habe es aber auch nicht so aufgehängt, dass er zwangsläufig draufschauen muss. Ob die Beruhigung damit zutun hat kann ich noch nicht sagen. Werde es beobachten...

Heute abend habe ich aber leider einen kleinen Rückschlag (aus meiner Sicht) erleiden müssen. Den Tag über ist es sehr gut verlaufen, dann beim ins Bett bringen, wurden die Autoaggressionen wieder mehr. Ich schätze, es hängt damit zusammen, dass er das gute Wetter (war mit ihm spazieren) und den Aufenthalt auf der Station genossen hat (keine Autoaggressionen).
Leider ist es nicht anders möglich, als ihn dann ins Bett zu bringen, weil die Nachtwache ihn nicht 1:1 betreuen kann.

@55555: Ich weiss nicht genau wie es im Heim abgelaufen ist, aber für mich ist es einfach wichtig, wie wir die Zeit mit ihm, für ihn bestmöglich überbrücken können bis er wieder ins Heim zurück kann. Wir haben nämlich leider nicht das Wissen, die Infrastruktur und das Personal um uns so um ihn zu kümmern, dass es ihm gerecht wird.


@drvaust: Ich danke dir für das Kompliment, aber ich weiss einfach, dass wir bei solchen Patienten Defizite haben, bzw. sie nicht in unser Fachgebiet gehören. In unserem Fachgebiet machen wir meiner Ansicht nach nämlich hervorragende Arbeit (Akutpsychiatrie). Daher tue ich alles dafür, dass wir der Sache auch nur ansatzweise gerecht werden.

Ich danke euch ganz herzlich für eure Anregungen. Es hilft mit sehr, sich da mit Profis auszutauschen!!

Vielleicht habt ihr ja auch ein paar Links für mich in denen ich auch noch lesen könnte...;)

Hallo zusammen!

Jetzt ist es zwei Tage her, dass ich das letzte Mal geschrieben habe! In dieser Zeit ist aber eine ganze Menge passiert. Wir haben das Risperdal auf 4mg reduziert und die Fixierungen nach und nach gelöst. Mittlerweile kann er sich wieder frei auf der Station bewegen und es scheint ihm besser zu gehen. Nun werden wir einen günstigen Termin suchen für eine Rückkehr in das Heim.

Ich danke euch für eure Unterstützung. Fühlte mich dadurch nicht mehr so alleine gelassen...

1000 Dank...