schrödingerscat
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Hallo 55555,
vielen Dank für Deine Mail!
Ja, wie sieht ABA bei uns aus, gar nicht so einfach zu formulieren, weil vieles schon so im Alltag integriert ist.... .
Am besten kann ich es vielleicht anhand von seiner "Babysitterin" (irngendwie unpassendes Wort für einen Sechsjährigen....) beschreiben: Da Freitags der Kindergarten schon früher schließt und ich aber noch bis 16:00 Uhr arbeiten muss, holt ihn immer dieses Mädel (Heilpädagogik-Studentin) vom Kiga ab. Es fängt damit an, dass die beiden schon im Auto mächtig Spass haben, weil sie den selben Musikgeschmack haben und singend und rhythmisch kopfschüttelnd die Fahrt genießen. In meiner Wohnung angekommen wird der CD-Player angemacht und zu seiner Musik weiter getanzt (Musik ist neben Tieren, Zahlen und Buchstaben seine Leidenschaft). Wichtig ist eben der Aspekt, dass erst mal gar nichts gefordert wird, sondern im Gegenteil, nur Sachen zusammen gemacht werden, die dem Kind ganz viel Spaß machen (sog. "Pairing"). Wenn er genug vom Tanzen hat, holt sie ein Buch und er hat hier die konkrete Aufgabe, z.B Was er sieht in ganzen Sätzen zu formulieren. Da es sich um ein Tierbuch handelt ist er mit großem Interesse dabei. Oder es stellt sich die Aufgabe den Schuh auszuziehen. Da er das motorisch nicht schafft, bekommt er soviele Hilfestellung ("Prompt"), wie nötig, dass die Aufgabe erfolgreich gemeistert wird und dann wird er ganz doll verstärkt. Diese Erfahrung des "fehlerfreien Lernens" (soviel Unterstützung, dass die Aufgabe auf jeden Fall geschafft werden kann und dann auch noch Lob als hätte er es ganz alleine geschafft) war für meinen Sohn die totale Offenbarung. Bis dato hatte er irgendwie immer die Erfahrung gemacht, dass alle alles können nur er nie etwas und hatte es inzwischen auch ganz aufgegeben etwas zu versuchen. Nun hat er ganz neues Selbstvertrauen zu sich und neuen Aufgaben. Diese Hilfestellung und das Verstärken muss natürlich immer konsequent ausgeschlichen werden, damit er nicht abhängig davon bleibt/wird. Und es klappt -zumindest bei ihm- wirklich, dass die gemeisterten Aufgaben ihn so stolz machen, dass es Verstärkung für ihn genug ist und nicht künstlich weiter verstärkt werden muss (z.B. bei Tierpuzzeln).
Freies Sprechen hat er über das Thema "Manding" (= Wünsche äußern" gelernt. DAs moderne ABA/VB (dieser Anhängsel VB steht für Verbal Behaviour und besagt, dass man davon aussgeht, dass Sprache unter den gleichen Bedingungen erlernt wird wie jedes andere Verhalten) legt Wert darauf, dass man dem Kind etwas beibringt, wenn es die natürliche Motivation hat, etwas zu lernen. So bringt man z.B. das Wort "Keks" nicht an einer künstlichen Situation am Schreibtisch bei, wenn das Kind vielleicht gerade satt ist und auf eine Bildkarte schaut und das Wort "Keks" sagen soll. Es wird gelehrt, wenn man z.B. grad zusammen in der Küche ist, dass Kind Hunger auf einen Keks hat und auf die Keksdose deutet. Dann nimmt man den Keks raus und fordert das Kind auf, je nach Fähigkeitsstand entweder die Geste für Keks zu machen, den ersten Buchstaben zu sagen "K", das ganze Wort oder den ganzen Satz, je nachdem was das Kind schon kann.... . Kann es das noch nicht ganz, wir ihm geholfen und dann gibt es als natürliche Verstärkung natürlich direkt den ersehnten Keks.
Also: Gemeinsam Spaß haben, individuellen (Spezial-)Interessen des Kindes aufgreifen für Verstärkung und die gestellten Aufgaben immer erfolgreich zusammen beenden, so dass Verstärkung zum Schluss einer Aufabe immer garantiert ist und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass er von sich aus daran interessiert ist, das es so weiter geht.
(Einem Kind Essigspray ins Gesicht zu spritzen oder andere ekelige Grausamkeiten würden -ganz abgesehen davon, dass sie grundsätzlich ethsich völlig indiskutabel sind- ja genau das Gegenteil bewirken: Das Zusammensein mit demjenigen, der solche Dinge macht, würde mit Bestrafung verbunden werden und somit die Bereitschaft, sich auf diese PErson einzulassen ganz schnell auf dem Nullpunkt landen. Beim Pairing will man genau das Gegenteil: Das Kind soll merken, alleine etwas zu machen zwar schön ist, aber mit einer anderen Person zusammen noch mehr dazu führt noch viel tollere Dinge zu erleben. Der Anblick dieser Person soll dem Kind signalisieren: Verstärkung kommt gleich und nicht Bestrafung. Dadurch wird die Person -wenn alles klappt ;o) - selbst zum Verstärker. Mein Sohn freut sich auf jeden Fall immer total, wenn ich ihn sage, dass die oben genannte Studentin ihm vom Kiga abholt.
So, ich hoffe, ich habe das nicht allzu wirr erklärt (die ABA/VB-Fachbegriffe klingen für ungewohnte Ohren manchmal etwas seltsam) für weitere Fragen hierzu stehe ich gerne zur Verfügung :o)
Viele Grüße,
Sandra
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