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55555
(Fettnäpfchendetektor)

Zitat:
Was passiert, wenn der Staat allen erwachsenen Bürgern, die zu wenig oder gar nichts
verdienen, ein jährliches Minimaleinkommen garantiert? Kanada hat von 1974 bis 1979 in
Dauphin und Winnipeg in der Provinz Manitoba ein solches Experiment durchgeführt.
Die ländliche Kleinstadt Dauphin zählte 10 000 Einwohner, Winnipeg 450 000. Insgesamt
1000 Familien, deren Einkünfte unter der Armutsgrenze lagen, beanspruchten die
Unterstützung und holten ihre monatlichen Checks, ohne Rechenschaft ablegen zu
müssen, wofür sie das Geld ausgaben. Das Projekt «Mincome» hatte ein Budget von 17
Millionen kanadischen Dollar, und Wissenschafter führten akribisch Buch über den
Verlauf.

Zur Auswertung der Daten kam es nicht. Das umfangreiche Archivmaterial, zu dem
niemand Zugang erhielt, wurde an einem nicht genannten Ort gelagert. Bald schon
rankten sich Legenden um die Frage, weshalb die Regierung die Unterlagen unter
Verschluss halte wie ein Militärgeheimnis.

[...]

Die Idee stammt vom neoliberalen Ökonomen Milton Friedman, nicht
eben ein Freund der Linken, der in seinem 1962 erschienenen Bestseller «Kapitalismus und
Freiheit» für ein garantiertes Einkommen plädiert hatte.

Als der Republikaner Richard Nixon den Demokraten Johnson im Weissen Haus ablöste,
war erst fraglich, ob die Versuche wie geplant durchgeführt werden würden. Die Männer,
die das Programm retteten, indem sie es auf eine wissenschaftliche Grundlage stellten und
für ihre Partei goutierbar machten, sollten in der späteren Geschichte Amerikas noch zu
reden geben: Donald Rumsfeld und sein Assistent Dick Cheney. Mit den vier Feldstudien
von 1968 bis 1978 in New Jersey und Pennsylvania, North Carolina und Iowa, Gary,
Indiana, sowie Seattle und Denver wollte man herausfinden, ob ein garantiertes
Mindesteinkommen die Leute dazu bewege, weniger oder gar nicht mehr zu arbeiten. Die
Resultate wurden in den folgenden Jahren so kontrovers diskutiert, dass die Wissenschaft
auf der Strecke blieb. Die Tatsache, dass die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt gering
waren, wurde erst bestritten und verschwand ganz aus dem Blickfeld, als herauskam, dass
in Seattle und Denver die Scheidungsrate bei Teilnehmern um über fünfzig Prozent
gestiegen war. Ein garantiertes Mindesteinkommen zerstöre die Familien, hiess es, indem
es Ehepartner ermuntere, auseinanderzugehen, weil beide hernach wohlversorgt seien.

Auch in Kanada ging es erst um die Frage, wie sich Mincome auf den Arbeitswillen der
Bevölkerung auswirken würde. Anders als die Sozialhilfe, auf die nur bestimmte Personen
Anspruch haben, war Mincome eine Einkommensgarantie für alle; ausgelegt darauf, die
gefürchtete «Fürsorgefalle» zu vermeiden: Wie in den USA hatten auch in Kanada
Sozialhilfebezüger wenig Grund zur Arbeitssuche, da der eigene Verdienst so hoch
versteuert wurde, dass mehr Geld in der Tasche hatte, wer nicht arbeitete. Mincome
dagegen schaffte einen Arbeitsanreiz: Für jeden Dollar, den ein Teilnehmer über das
garantierte Minimaleinkommen hinaus verdiente, wurden ihm lediglich 50 Cent von der
Unterstützung abgezogen.

Ron Hikel, damals Dozent für politische Wissenschaften an der Universität von Winnipeg,
war beauftragt, das Projekt Mincome zu leiten. Fast ein Jahr habe es gedauert, die
Organisation aufzubauen, sagt er. «Schliesslich hatten wir 125 Leute zusammen,
Ökonomen, Soziologen, Politikwissenschafter und sogar einen Anthropologen, dessen
Aufgabe es war, die Beziehungen zwischen den Mincome-Empfängern und der
Gemeinschaft zu erforschen», erzählt er. «Viermal im Jahr machten wir detaillierte
Umfragen, wie viel die Leute arbeiteten, was sie verdienten, wie die Familienverhältnisse
waren.»

[...]

«Sieht man sich in einem Spital ein bisschen um, wird einem bewusst, dass vieles von
dem, was wir behandeln, die Folgen von Armut sind», sagt Evelyn Forget. Wird die
Armut gelindert, sinken die Kosten im Gesundheitswesen so deutlich, dass ein
garantiertes Mindesteinkommen zum Sparprogramm wird. Zur Zeit von Mincome gingen
die Spitalaufenthalte in Dauphin um 8,5 Prozent zurück. Vor der Einführung des
Programms war die Zahl der Hospitalisierungen deutlich höher gewesen als in den
Kontrollgruppen, am Ende war es umgekehrt. Es gab weniger Einlieferungen wegen
psychischer Störungen, familiärer Gewalt, Auto- und Arbeitsunfällen. Evelyn Forget führt
das auf geringeren Stress und weniger Druck zurück, eine gefährliche Arbeit trotz
Übermüdung oder Unwohlsein zu leisten, bloss weil man auf das Geld angewiesen ist.
Dass sich mehr Familien auflösten, wie das in den USA festgestellt worden war, fand
Evelyn Forget im kanadischen Experiment nicht bestätigt. Sie weist überdies auf eine 1990
publizierte Studie hin, die gezeigt habe, dass der behauptete Anstieg der Scheidungen in
den USA auf einem Statistikfehler beruhe. Zwar bekommen mittellose Frauen mit dem
Recht auf ein garantiertes Grundeinkommen die Wahl, eine unglückliche Ehe zu beenden.
Doch in Dauphin und Winnipeg wurde davon nicht vermehrt Gebrauch gemacht.

Für Familien, die kein Einkommen hatten und bisher Sozialhilfe bekamen, änderte sich
wenig, fasst Evelyn Forget zusammen. Für jene hingegen, die kein Anrecht auf Sozialhilfe
hatten – die Senioren, die Working Poor und die arbeitsfähigen Junggesellen – bedeutete
Mincome eine beträchtliche Einkommenssteigerung. In einer Kleinstadt mit vielen
Selbständigen, abhängig von der Landwirtschaft, war das ein grosser Fortschritt. Man
wusste, dass man auch im Fall von Krankheit oder einem Unfall mit Unterstützung
rechnen konnte.

Bereits vor Evelyn Forget hatten Derek Hum und Wayne Simpson, Ökonomieprofessoren
an der Universität von Manitoba, die Auswirkungen von Mincome auf den Arbeitsmarkt
untersucht. Die Resultate entkräfteten die Befürchtung, ein garantiertes Einkommen
mache die Empfänger arbeitsunwillig. Nur ein Prozent der Männer, drei Prozent der
verheirateten Frauen und fünf Prozent der unverheirateten Frauen arbeiteten nach der
Einführung von Mincome weniger als zuvor. Verheiratete Frauen nutzten die finanzielle
Unterstützung für einen längeren Mutterschaftsurlaub. Unverheiratete Frauen bildeten sich
weiter, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

Männern wie Frauen verschaffte Mincome mehr Zeit für die Jobsuche, so dass sie nicht
sofort jede schlechtbezahlte Arbeit annehmen mussten. Heranwachsende, wie Evelyn
Forget herausfand, stiegen später ins Arbeitsleben ein, weil sie länger zur Schule gingen;
der Anteil jener, die einen Highschool-Abschluss machten, stieg in den Jahren des
Experiments im Vergleich zur Kontrollgruppe.

Quelle

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
10.03.16, 10:58:16
Link
Fundevogel
(Angehörigenbereich)

Was wurde mit der "gewonnenen Zeit" angestellt:

Gab es mehr ehrenamtliches Engagement?
Wurde sich vermehrt politisch engagiert?
Konnte mehr Sport getrieben und auf Gesundheit Wert gelegt werden?
Wie veränderten sich der Zusammenhalt und gemeinsame Aktionen in den Familien?
Konnten mehr alte Menschen in ihrer Familie versorgt werden?

War es möglich, etwas Geld anzusparen?

Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. (Johannes 8.12).
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. (Markus 4.21) (Lukas 8.16)
11.03.16, 05:52:46
Link
55555
(Fettnäpfchendetektor)

Zitat:
Meinungsforscher haben Bürger in allen 28 EU-Mitgliedsländern befragt und ermittelten: 64 Prozent der Befragten würden sicher oder wahrscheinlich für ein bedingungsloses Grundeinkommen stimmen, 24 Prozent würden sicher oder wahrscheinlich dagegen sein und zwölf Prozent würden gar nicht wählen gehen.

Interessant und überraschend dabei ist auch, dass in allen großen EU-Ländern mehr als die Hälfte der Befragten für ein Grundeinkommen wären. In Frankreich beträgt die Zustimmung der Umfrage zufolge 58 Prozent, in Großbritannien, Deutschland, Polen und Italien mehr als 60 Prozent, in Spanien sogar mehr als 70 Prozent.

Quelle

Mancherorts steckt man Eltern ins Gefängnis, die ihre Kinder aus ideellen Gründen nicht zum Arzt bringen. Anderswo schützt man fremde Kulturen mittels Strafen vor Kontakt und Einmischung.
21.05.16, 15:31:59
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