Zitat:
Am Ende wollte er noch, dass ich meinen Beruf aufgebe (habe viele, viele Jahre gebraucht, um beruflich eine Nische zu finden) und in eine "Behindertenmaßnahme" wandere.
Immer wieder erstaunlich was es so alles gibt.
Das ist so mit das, was mich bei der Autisten-"Therapie" am meisten aufregt: dass man Autisten absolut nichts zutraut, auch wenn sie schon hundert Mal bewiesen haben, dass sie etwas zumindest passabel können. Und dass man sie dann so klein hält anstatt sie in ihren Fähigkeiten zu unterstützen. Ich habe u. a. mal für eine Firma gearbeitet, die ein deutsches Leitmedium täglich mit Informationen versorgt hat, aber kaum ist man beim "Therapeuten" wird man zum sozialpädagogisch betreuten Schraubeneintüten oder sowas verdonnert. Also ich mache auch so genannte "niedere Arbeiten" wenn es sein muss. Das Problem ist nur, dass einem sobald man das AS-Etikett drauf hat offenbar gar nichts anderes mehr zugetraut wird. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Autisten in diesem Land regelrecht kaputt gemacht werden mit solchem Unsinn. ***Haarerauf***
Zitat:
Noch mal zum Zusammengehörigkeitsgefühl: ich glaube, das kenne ich nicht. Aber durchaus sowas wie Solidarität.
Wie würdest du beides voneinander trennen?
Solidarität ist meiner Einschätzung nach eher situationsgebunden. Wenn also ein Autist beispielsweise ein bestimmtes Anliegen hat und deswegen angegriffen wird und ich das als ungerecht ansehe, dann würde ich mich solidarisch mit ihm erklären - auch dann, wenn ich eigentlich kein grundsätzliches Zusammengehörigkeitsgefühl empfinde. Wenn ein NT ungerecht angegriffen würde, würde ich mich aber genauso solidarisch erklären.
Ich weiß, dass es Leute gibt, für die ist Solidarität NICHT situationsgebunden. Man hört sowas öfter bei der Linkspartei, die sich solidarisch mit Armen, Benachteiligten usw. erklärt, also nicht situationsgebunden, sondern generell. Das ist mir aber zu abstrakt so ganz ohne konkreten Anlass oder Situation. Wenn es jetzt aber zu einer Situation käme, ein Mensch (egal ob Autist oder nicht) würde gegen seinen Willen zwangstherapiert werden, dann würde sowas wie Solidarität aufkommen.
Zitat:
die sich ganz stark über ihre Gruppe definieren und die auch ganz oft in der "Wir"-Form sprechen.
Theoretisch könnte das ja rational begründet sein oder tatsächlich emotional.
Wenn man sagt "Wir Autisten werden häufig ausgegrenzt" ist es ja eine Tatsachenbeschreibung, was ich auch ganz unproblematisch finde und mich dem auch anschließen kann. Ich kann mich aber an eine Situation erinnern, wo eine Autistin sagte "Wir (gemeint waren wohl "wir Autisten") wollen solche Diskussionen nicht". In diesem Fall ist das m. E. ein nicht zulässiges "Umarmungs-Wir". Ich habe sie dann auch gefragt, wer denn jetzt "wir" sei, aber sie ist einfach davon ausgegangen, dass sie ihr Empfinden auf alle Autisten übertragen könne. Und es gibt sicher auch welche, die da zustimmen, aber ich für meinen Teil fühle mich eben NICHT als Teil einer autistischen Gemeinschaft, die mit einer Stimme spricht und die in allem irgendwie homogen denkt und handelt. Ich nehme zur Kenntnis, dass es Autisten gibt, mit denen mich einige Gemeinsamkeiten verbinden. Dann gibt es welche, bei denen ich so weit gehen würde zu sagen, dass wir de facto gleich "programmiert" sind - auch wenn die Interessen unterschiedlich sind, aber die ART UND WEISE, wie sie betrieben werden, ganz gleich sind - das ist immer besonders toll, wenn man solche - online natürlich - trifft! Und dann gibt es noch welche bei denen ich so gut wie keine Schnittmengen sehe. Also quer "durch den Garten" sozusagen. Das alles steht dem ohnehin kaum zu aktivierenden Zusammengehörigkeitsgefühl entgegen.
Es hängt wohl auch davon ab, ob man bisher Erfahrungen mit anderen Autisten machte, die einen dazu bringen sich auf Kontakt zu freuen? Das kann durchaus fehlen, wenn man bisher nur SHGn kennenlernte und dort nicht reinpasst.
Ich war ja noch nie leibhaftig bei so einem SHG-Treffen. Manchmal denke ich, dass ich vielleicht hingegen sollte, weil es ja wider Erwarten vielleicht dann ganz toll ist, so einen ganzen Haufen Autisten verschiedenster Ausprägung zu sehen. Aber letztlich bin ich dafür wirklich zu solitär / asozial / ignorant - whatever. Vielleicht aber kommt ja irgendwann ein Zeitpunkt, wo das Interesse dafür kommt. Ich bin auch noch gar nicht so lange in der Lage, mich als "Autist" zu bezeichnen, weil das in meinen Augen immer Kanner-Autisten waren. Es braucht halt alles seine Zeit...
Wie sieht es denn bei Dir aus mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl? Ich habe die Charakterisierung in die verschiedenen Gruppen gelesen. Das sieht auf den ersten Blick eher nach Unterteilung aus - was einen funktionierenden Überbau aber natürlich nicht ausschließt.